Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 10 Karoline Wetzke - gekrönte Dichterin
Karoline Wetzke – gekrönte Dichterin
Von Elke Strauchenbruch
Karoline Wetzke wurde als Tochter des Mathematikprofessors und späteren Rektors der Wittenberger Universität Georg Friedrich Bärmann geboren. In Professorenkreisen war es üblich, die Kinder im eigenen Hause unterrichten zu lassen. Viele der Töchter erlangten eine hohe Bildung, auch wenn sie sie beruflich nicht nutzen konnten. Ihr Vater starb 1769 in Wittenberg.[1]
Karoline ging die Ehe mit Christian Friedrich Wetzke[2] ein. Der Lehrerssohn hatte, mit Stipendien von der Universität unterstützt, in Wittenberg studiert und wurde als Lizentiat der Rechte Privatdozent und Hofgerichtsadvokat [3]. Am 21. Juli 1779 hatte er seine „zärtlich geliebten Ehegattin, Frau Friedericken Henrietten Sophien gebohrnen Kannin“ nach offenbar sehr kurzer Ehe verloren.[4] Die Ehe mit Caroline Bärmann war also seine zweite Ehe.1783 wurde Tochter Juliana Georgina Wetzke geboren, die die spätere Ehefrau des „königlich-sächsischen Wasserbaudirektor zu Dresden Christian Friedrich Wagner“[5].
Am 30. Juli 1787 wurde Karolines Ehemann Christian Friedrich Schützenkönig. An diesem Tage beging man sehr feierlich die Einweihung des Neubaus der 1637 von den Schweden zerstörten Elbebrücke. Die neue Elbebrücke war erstmals keine Zugbrücke, denn sie war so hoch, dass die Schiffe ohne Öffnung der Brücke passieren konnten. Glaubt man den ausführlichen Berichten über die großen Einweisungsfeierlichkeiten - sie nennen alle Teilnehmer bis hin zu den Tagelöhnern und erwähnen, dass die Studenten Vorlesungen besuchen mussten, um Ausschreitungen oder Exzesse zu verhindern – nahm daran keine einzige Frau teil.[6]
Aber Frau Lizentiat Karoline Wetzke verfasste unter dem Titel „Frohe Empfindungen über die neu gebaute Elbbrücke zu Wittenberg am Augusttage 1787 geäußert vor der dasigen Schützengesellschaft“ eine Kantate.[7] Dafür wurde sie am 17. Februar 1788 vom Dekan der Artistischen Fakultät zum Dichter gekrönt.
Dichterkrönungen von Frauen waren zu Zeiten der Aufklärung noch selten. Mit der Dichterkrönung als kaiserlicher Auszeichnung war das Recht, an allen Universitäten des Reiches Vorlesungen in Rhetorik und Poetik zu halten, verbunden. Da Frauen an universitären Akten nicht teilnehmen durften, wird auch die Wetzke in Abwesenheit geehrt und später in ihrer Wohnung gekrönt worden sein.
Nach der Krönung einer Frau 1733 in Leipzig war diese von Studenten so lächerlich gemacht worden, dass der Kurfürst keine Frauen als poeta laureata mehr dulden wollte. Die Krönung der Frau Wetzke war also eine Ausnahme und besonders große Ehrung, die einer als Dichterin und „fleißige“ Schriftstellerin beschriebenen Zeitgenossin der Wetzke nicht zugestanden wurde, obwohl sie in ähnlichen Kreisen aufwuchs wie die Professorentochter Karoline: Johanna Friederike Lohmann[8] wurde am 25. März 1749 in Wittenberg als Tochter des Hofrates Ritter geboren. Sie heiratete den Kommissär Häbler und nach dessen Tod den preußischen Auditor Lohmann. 1791 wurde ihr Schauspiel „der blinde Harfner“ veröffentlicht. Ihre Novelle „Die Entscheidung von Hochkirche“ nahmen Heyse und Kurz in ihren 1871 bis 1876 erschienen deutschen Novellenschatz auf. Zuletzt erschienen 1810 die „Herbstblumen meines Geistes“. Die heute vergessene Schriftstellerin Johann Friederike Lohmann gehörte zu den Briefpartnern Gellerts.
Am 14. April 1751 verfasste Professor Johann Gottlob Krüger in Halle eine Widmung für das Buch seiner als Dichterin gekrönten Nichte Johanna Charlotte Unze, gebohrne Ziegler,“Grundriß einer Weltweißheit für das Frauenzimmer“[9], und beschreibt darin das Problem und die Ursachen der mangelnden Anerkennung der geistigen Fähigkeiten von Frauen v.a. durch Universitätsangehörige, das schon die Reformatoren gekannt haben, sehr eindrucksvoll und hochaktuell: „Die Manns-Personen hingegen, welche den Werth von den Gütern des Verstandes kennen, werden … diese Schrift für eine Kriegserklärung ansehen; sie werden künftig das schöne Geschlecht als ihre Feinde betrachten; sie werden sich bemühen ihnen alle Gelegenheiten zu beschneiden, ihren Verstand vollkommener zu machen; und es ist natürlich, daß solches von denen mit dem größten Eifer geschehen wird, welche selbst sehr wenig Verstand besitzen, und daher befürchten müssen in ihr voriges Nichts zurück zu kehren, wenn die scharfsichtigen Augen der Frauenzimmer den entlehnten Schimmer der Weisheit entdeckten, mit welchem sie die Augen des Pöbels verblenden. … Man wird die Frauenzimmer, welche sich auf die Weltweisheit legen, für neue Studenten ansehen, aus denen mit der Zeit Prediger, Advocaten und Aertzte werden könnten. Und da sie meistentheils die Gabe besitzen, die Herzen der Oberen ohne Mühe zu gewinnen: so wäre nicht ohne Grund zu besorgen, daß sie sich endlich gar in öffentliche Bedienungen einschleichen möchten. … Es würde überdis die Unbequemlichkeit bey sich führen, daß die jungen Herrn Magister, welche sich meiniglich mit der Logik und Metaphysik beschäftigen, ihre Hörsäle würden erweitern lassen müssen, …" Männer meinen Frauen sollen ihre Aufgabe erkennen, denn "wenn sie den Staat mit Kindern versorgt, die sie durch einen Leitfaden zur Klugheit und Tugend lenkt, … wenn sie durch einen liebreichen Blick das durch denken mürrisch gewordene Gesicht ihres Ehe-Gemahls erheitert, und sich bemühet, ihm die Ergetzlichkeiten recht reitzend zu machen, wodurch die unvermeidlichen Beschwerlichkeiten seines Lebens erträglicher gemacht werden. Dieses ist eine so rühmliche Beschäftigung, gegen welche alle Sprachen und Wissenschaften nur eine Kleinigkeit sind. …"
[1] Elke STRAUCHENBRUCH, Wer war wo in Wittenberg? Wissenswertes zu 124 Gedenktafeln, Wittenberg: Drei Kastanien-Verlag 2017, S. 131
[2] Paul Gottlieb KETTNER, Historische Nachricht Von dem Raths-COLLEGIO Der Chur-Stadt Wittenberg …. Wolfenbüttel: Verlag Johann Christoph Meißner 1734, S. 3 Nr. 24; Churfürstlich-Sächsischer HOF- und STAATSCALENDER 1799, S. 219f.
[3] Ernst Martin CHLADNY, Ordinis Ivridici … = Einladung zur Verteidigung der jur. Dissertation von Christian Friedrich Wetzke am 29. August 1776, mit Lebenslauf des Kandidaten, 4°, XXIV S.
[4] Christian Friedrich WETZKE, Den allzufrühen Tod Seiner zärtlich geliebten Ehegattin, Frau Friedericken Henrietten Sophien gebohrnen Kannin, welcher am 21sten Julii 1779 erfolgte. Mitwirkende Personen Friedericke Henriette Sophie Wetzke, gedruckt bey Adam Christian Charisius, 1779
[5] STADTWIKI DRESDEN
[6] Richard ERFURTH, Geschichte der Stadt Wittenberg, 1910, S. 69-71
[7] Richard ERFURTH, Geschichte der Stadt Wittenberg, ebenda
[8] Heinrich GROSS, Deutschlands Dichterinnen und Schriftstellerinnen, Eine literarhistorische Skizze, 2. Ausgabe, Wien 1882, S. 26
[9] Johanna Charlotte UNZER, Grundriß einer Weltweißheit für das Frauenzimmer mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Hrn. Johann Gottlob Krügern, 2. verbesserte und vermehrte Auflage, Halle im Magdeburgischen: Carl Hermann Hemmerde 1767; VD18 13123181
Bild zur Meldung: Die 1787 eröffnete Elbebrücke, besungen von Karoline Wetzke