Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 9 Dorothea Lufft
Dorothea Lufft - „Gefäß der Barmherzigkeit“
Von Elke Strauchenbruch
Dorothea Lufft war offenbar eine geborene Leipzigerin und war ein Spross der angesehenen Leipziger Handelsfirma Herrmann.[1]
Seit 1519 war sie mit dem umtriebigen Buchdrucker Hans Lufft verheiratet und führte an seiner Seite ein aufregendes und arbeitsreiches Leben inmitten der Reformatoren, Professoren, Ratsherren und deren Familien in Wittenberg.
Lufft gründete damals eine blühende Buchdruckerei mit mehreren Druckpressen und zugehörigem Personal. Er wurde „der“ Bibeldrucker Luthers. 1523/24 wirkte er als Zinseintreiber für das sich in Auflösung befindliche Augustinerkloster. Gemeinsam mit Melanchthons Schwager, dem späteren Bürgermeister Hieronymus Krappe, plünderte er 1523 den kurfürstlichen Vogelherd.[2]
Er war von Anfang an der Seite der Reformatoren und der Stadtobrigkeit. 1526 wurde Lufft als Wittenberger mit Bürgerrecht in den Steuerlisten erwähnt.[3] Noch wohnte die Familie in einem kleinen Haus in der Marstallgasse. Dann erbte Dorothea ein altes Haus in der Bürgermeistergasse. Dort wurden im Laufe der Jahre etliche Buchdrucker Nachbarn, so z.B. Veit Creutzer, Georg Rhau, Hans Krafft und Hans Weiß.[4] Wegen des Neubaus wurde Lufft 1531 bis 1534 von der Grundsteuer befreit. Er besaß neben dem Häuschen in der Marstallgasse, dem Neubau in der Bürgermeistergasse und einem Mietshaus auch ein großes Gartengrundstück mit Häuschen in der damaligen Clausstraße vor der Stadt. Zudem betrieb er einen Weinschank. Seit 1542 war Lufft Ratsherr und wurde ein sehr angesehener Bürgermeister. Wie hätte er das alles schaffen können ohne eine tolle Frau, die ihn überall unterstützte?
Dorothea wurde mehrfach Mutter. Frauen waren fast immer schwanger. Fünf, sechs, sogar zehn und mehr Geburten waren keineswegs selten. Nicht nur die Kindersterblichkeit war unglaublich hoch, sondern auch die Müttersterblichkeit. Es gab viele Kinder, die in Obhut von Stiefmüttern aufwuchsen. Die heute diskutierte Patchwork-Familie war damals üblich.
1527 hatte Dorothea die Pest in ihrem Hause - ihr Gatte genas langsam, wie Luther berichtete.[5]
Wahrscheinlich hatte die vielbeschäftigte Frau damals begonnen, Geburtshilfe für Frauen aus ihrem Umfeld zu leisten und dadurch großes Ansehen gewonnen. Trotz ihrer vielen Schwangerschaften haben die Frauen den Haushalt geführt. Das bedeutete unter anderem, sie haben sich um das Wohl „ihres Hauses“ gesorgt, Kinder und Gesinde im Glauben unterwiesen, Alte und Kranke gepflegt, Haus und Wäsche sauber gehalten.
Sie haben in ihren Schwarzen Küchen gekocht und die dafür notwendigen Lebensmittel in ihren Gärten, auf ihren Feldern und in ihren Ställen selbst erzeugt. In wohlhabenden Kreisen haben sie das Bier gebraut und den Wein gekeltert.[6]
Oft wird die Mitwirkung von Handwerkerfrauen bei den Geschäften ihrer Männer übersehen. Am 20. August 1531 lassen der Verleger Christian Döring und Dorotheas Mann, der Buchdruckermeister Hans Lufft von den Bürgermeistern Hans Hohndorf und Lic. jur. Philipp Reichenbach einen Vertrag wegen des druckerhandels, den sie nhun etzliche Jahr bis anhero mit eynander gehabt in die Akten aufnehmen. Daraus erfahren wir auch, dass dem Lufft aus seiner Arbeit für den Verleger hohe Schulden entstanden sind – ausgerechnet in der Zeit, in der er sein neues repräsentatives Haus in der Bürgermeistergasse erbauen ließ. Es war so schlimm, dass er, falls er mit den vereinbarten Zahlungen in Rückstand käme, alle seine Güter, beweglich und unbeweglich, Haus und Hof, dem Gläubiger und seinen Erben überlassen müsste. Dafür musste Ehefrau Dorothea an diesem Tage vor dem Stadtgericht mündlich und mit Schwur einwilligen, und für diesen Notfall alle ihre weiblichen Rechte am Besitz der Familie aufgeben.[7] Für die Familie kam es nun darauf an und man hatte Glück, Hans Lufft erhielt den Druckauftrag für die erste Gesamtausgabe von Luthers Biblia, deudsch, die 1534 erstmals erschien. Lufft gilt noch heute als Luthers Bibeldrucker, auch wenn er nicht nur fast jährlich eine Lutherbibel druckte, sondern auch noch viele weitere Bücher. Lufft wurde 1542 mit einem Vermögen von 1000 Gulden im Türkensteuerregister eingetragen, 1531 waren es 320 Gulden. Er hatte also durch den Druck der Vollbibel wirklich gut verdient. Genannt werden 1542 das Haus mit den Buden, fünf Gesellen zwei Lehrjungen und zwei Mägde, die in seinem Haushalt wohnten und versorgt wurden.[8] Trotzdem, zwischen 1550 und 1558 musste Lufft wieder Kredite aufnehmen, beim Gemeinen Kasten, beim Heilig-Geist-Stift und beim Heilig-Kreuz-Stift. Auf seinem Haus ruhte bis 1558 ein Erbzins von der Stadtkirche, den er dann mit 43 alten Groschen abbezahlte.[9]
Am 18. Februar 1538 haben die Luffts in ihrem Hause ihrer ältesten Tochter Helene eine wegen ihrer Pracht umstrittene Hochzeit mit dem jungen Gelehrten Andreas Aurifaber ausgerichtet. Offenbar gab sich zu diesem Anlass, jeder, der Rang und Namen hatte, die Ehre, auch Martin Luther: … nach dem Nacht-Essen führet er die Braut zu Bette, und sprach zum Bräutigam, er solts beym gleichen lassen bleiben, und Herr in Hause seyn, wenn die Frau nicht daheim ist. Und zum Zeichen zog er ihm einen Schuh aus, und legte ihn aufs Himmelbette, daß er die Herrschaft und das Regiment behielt.[10] Höhepunkt und wichtiges rechtliches Element einer Hochzeit war die offizielle Beilegung des jungen Paares. Erst wenn die bezeugenden Gäste gesehen hatten, dass das Paar gemeinsam unter einer Decke gelegen hat, galt die Ehe als vor Gott geschlossen.[11]
Das Ehepaar Aurifaber wurde dennoch nicht glücklich. Schon im September diskutierte man am Tisch Luthers ärgerliche Exempel des Ehestandes und meinte, nicht nur Melanchthon und Cranach hätten Töchter übel vergeben, sondern auch der Buchdrucker Hans Lufft.[12] Das Paar Aurifaber zog nach Königsberg und Lufft eröffnete ihm dort eine Buchdruckerei, die erste in Ostpreußen! Doch Tochter Helene starb kurz nach der Eröffnung der Druckerei 1549 in Königsberg an der Pest.[13] Den Großeltern Helene und Hans Lufft blieben die Trauer und die Sorge um ihre verwaisten Enkelinnen. Die drei anderen Töchter blieben in Wittenberg.
1560 erkrankte Hans Lufft erneut schwer und erholte sich wieder nur langsam. Damals erwarb die Stadtkirchengemeinde eine neue silberne Kanne für den Kommunionwein und Dorothea stiftete zu ihrer Anschaffung einen Taler.[14]
Dorothea Lufft starb am 26. Januar 1561 nach 41 Ehejahren und wurde laut Jahresrechnung der Stadtkirche unter Einnahme aus der Büchse bei Begräbnissen (= das Becken an der „Kirchtür“) auf dem am Sonntage purivicationis Mariae Kirchhof begraben: 10gr vff der Hans Lufftin Begräbniß. Universitätsrektor Petrus Vincentius ließ am Tage nach ihrem Hinscheiden das Programma funbre anschlagen. Darin wird v.a. ihre Hilfsbereitschaft gegen andere gerühmt, die sie auch oft gebährenden Frauen ihren Beistand gewähren ließ. In griechischer Sprache bezeichnete Vincentius die Verblichene als Gefäß der Barmherzigkeit.[15]
[1] Gerhard FISCHER, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470-1650. Die kaufmännische Einwanderung und ihre Auswirkungen, Leipzig 1929; Helga SCHNABEL-SCHÜLE, Reformation. Historisch-kulturwissenschaftliches Handbuch. Heidelberg: Metzler 2017, S. 104
[2] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, 2., vermehrte Auflage, Leipzig: Karl W. Hiersemann 1923, S. 52
[3] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, ebenda, S. 4ff.
[4] Vicky ROTHE, Wittenberger Buchgewerbe und -handel im 16. Jahrhundert, in: Wittenberg-Forschungen. Band 2.1: Das ernestinische Wittenberg. Stadt und Bewohner. Textband. Hrsg. V. Heiner Lück, Enno Bünz, Leonhard Helten, Dorotée Sack und Hans-Georg Stephan im Auftrage der Stiftung Leucorea, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2013, S. 83
[5] WA BRIEFE 4, S. 227 Nr. 1126, S. 232 Nr. 1130
[6] Elke STRAUCHENBRUCH, Luthers Küchengeheimnisse, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014
[7] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, a.o.a.O., S. 55f. Anhang 1, nach: RATSARCHIV WITTENBERG, Gerichts- und Handelsbuch 1523-51, Bc 1010, f. 91g, 92. Der Vertrag ist kreuzweise durchgestrichen, wohl weil er erledigt war.
[8] Uwe SCHIRMER, Buchdruck und Buchhandel im Wittenberg des 16. Jahrhunderts. Die Unternehmer Christian Döring, Hans Lufft und Samuel Selfisch, in: Stefan Oehmig (Hrsg.): Buchdruck und Buchkultur im Wittenberg der Reformationszeit. Bd. 21, Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, S. 180
[9] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, a.o.a.O., S. 6 Anm. 1
[10] Paul Gottlieb KETTNER, Historische Nachricht Von dem Raths-COLLEGIO Der Chur-Stadt Wittenberg …. Wolfenbüttel: Verlag Johann Christoph Meißner 1734, S. 45 Nr. 49; WATISCHREDEN 3, S. 593
[11] Elke STRAUCHENBRUCH, Luthers Hochzeit, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017
[12] WA TISCHREDEN 4, S. 77f. Nr. 4016
[13] Christoph RESKE, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Joseph Benzing, Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51, Harrassowitz 2007, S. 483
[14] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, a.o.a.O., S. 6 Anm. 1
[15] Wolfgang MEJER, Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg, a.o.a.O., S. 11, 11 Anm. 2, Abdruck der lateinischen Oratio hier als Anhang 3, S. 58 bis 60)
Bild zur Meldung: Schwangere Frauen verbargen ihre Körper zu früheren Zeiten unter Mänteln, wie auch auf diesem Holzschnitt von Christoph Weigel zu sehen ist.