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Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 5 Herzogin Helena

01.09.2021
Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 5 Herzogin Helena
Lupe

Herzogin Helena von Sachsen-Wittenberg -  Gründerin des Wittenberger Franziskanerklosters

Herzogin Helena wurde 1223 als 2. Kind des Herzogs Otto I. von Lüneburg und dessen Ehefrau Mathilde (*Markgräfin von Brandenburg) geboren. Man taufte sie auf den Vornamen ihrer schon verstorbenen väterlichen Großmutter Helena von Dänemark. In Helenas Adern floss also königliches Blut, was nach damaliger Ansicht von allergrößter Bedeutung gewesen ist, die Familienreputation stärkte und das Mädchen als zukünftige Braut noch attraktiver erscheinen ließ.

Ihre Kindheit war überschattet von den welfisch-staufischen Kriegen um das Braunschweigische Erbe, die ihr Vater nur deshalb gegen den Kaiser gewann, weil ihm sein Onkel, König Waldemar II. von Dänemark und seine Schwäger, die Markgrafen von Brandenburg zur Seite standen.[1]  Welche Schule sie besucht hat, wissen wir nicht. Üblich war für Töchter aus diesen hohen Kreisen eine Ausbildung in einer angesehenen Stiftsschule, die nicht nur Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen, Latein etc. zum Inhalt hatte, sondern sie auf ein Leben als Ehefrauen und Mütter, notfalls Regentinnen, oder auf ein Leben in einem geistlichen Stift vorbereitet haben. Für die welfischen Prinzessinnen kamen für ihre Ausbildung die Schulen der in der Nähe gelegenen Reichsdamenstifte v.a. von Gandersheim aber auch von Quedlinburg und Gernrode in Frage.

Prinzessinnen, wie Helene und ihre vier Schwestern, wurden Mittel der Politik ihrer Väter. Diese festigten Bündnisse indem sie ihre Kinder schon in frühen Jahren mit den Kindern ihrer Bündnispartner verbanden. Die offizielle Eheschließung erfolgte frühestens nach Vollendung des 12. Lebensjahres der Brautleute.

Helena heiratete 1239/40, also im Alter von etwa 16 Jahren den 17-jährigen Sohn der Hl. Elisabeth, Landgraf Heinrich II. von Thüringen. Die damals schon verstorbene Heilige, die den jungen Franziskanerorden in Mitteldeutschland eifrig gefördert hatte, war also die Schwiegermutter der Helena.  Die Kunde von ihrem Leben und Wirken machte großen Eindruck auf ihre Schwiegertochter. Doch Landgraf Hermann II. starb schon am 3. Januar 1241 auf der thüringischen Kreuzburg. Helena war schon als Achtzehnjährige Witwe.

Zwischen dem welfischen Herzogshause, aus dem sie stammte, und dem askanischen Herzogshause herrschte seit dem Kampf zwischen Albrecht dem Bären (Stammvater der Askanier) und Heinrich dem Löwen (Stammvater der Welfen) um das Herzogtum Sachsen Krieg. Deren Enkel Albrecht I. von Sachsen und Graf Heinrich I. von Anhalt auf der einen und  Otto I. von Braunschweig auf der anderen Seite schlossen 1235 auf dem Hoftag zu Mainz Frieden. Um den Friedensschluss weiter zu festigen verabredeten sie 1245 die Hochzeit Graf Heinrichs mit Herzog Ottos ältester Tochter Mechthild und 1247 die Hochzeit  Herzog Albrechts mit Helena. Der Herzog benötigte dringend einen männlichen Erben und die junge Witwe schien geeignet, seine Wünsche zu erfüllen. Seine dritte Eheschließung fand wahrscheinlich 1247 mit Zustimmung des Papstes in Helenas Heimatstadt Braunschweig statt.[2]  Um 1250 ging der Wunsch des Herzogs nach einem Nachfolger in Erfüllung; Helena brachte einen Sohn zur Welt, der, wie sein Vater in Verehrung ihres Großvaters, bzw. Urgroßvaters Albrecht der Bär auf den Namen Albrecht getauft wurde. Helena wurde die Stammmutter der späteren askanischen Kurfürsten von Sachsen.

Herzog Albrecht I. war, wie damals üblich, stets viel unterwegs. Zuhause bevorzugte er den Aufenthalt in Ratzeburg oder in Aken. Scheinbar gefiel es Helena dort bei Weitem nicht so gut wie in Wittenberg. Sie hatte in ihrem Gefolge, nach Vorbild der verstorbenen Schwiegermutter, Franziskanermönche aus Thüringen mitgebracht, die ihr als Seelsorger dienten und überredete ihren Mann, in Wittenberg ein Franziskanerkloster zu gründen.[3]  Als königsgeblütige Mutter des zukünftigen Herzogs waren ihre Positionen in der der sächsischen Herrscherfamilie so gefestigt, dass sie aktiv tätig werden konnte. Zudem wurde ihre um 1235 geborene Schwester Elisabeth im Jahre 1252 Ehefrau des Königs Wilhelm von Holland, der seit 1254 als gewählter deutscher König regierte.

Andererseits flammte der Streit zwischen Askaniern und Welfen nach dem Tod von Helenas Vater (+9. Juni 1252) wieder auf. Im Februar 1258 standen sich ihr kriegerischer Bruder, der welfische Herzog Albrecht von Braunschweig, einerseits und der askanische Markgraf Johann I. von Brandenburg mit dem gleichfalls askanischen Herzog Albrecht I. von Sachsen-Wittenbergs andererseits in der blutigen Schlacht bei Breitenfeld, nordwestlich von Gardelegen, gegenüber.[4] Anschließend einigen sich die Schwager an der Unterelbe über ihre jeweiligen Territorien und beginnen gemeinsam mit der Urbarmachung des Landes zwischen Bleckede und Hachede. Der Askanier erhält die  die Herrschaft Bleckede und die Artlenburg, der Welfe Allendorf und Witzenhausen im heutigen Hessen.[5] Wegen einer Gefangenschaft von Helenas Bruders Albrecht übernahm zeitweise ihr Bruder Johann die Regierung des Herzogtums, das 1269 von den Brüdern geteilt wurde. Innerhalb der Familien waren auch schwerere Fehden nicht ausgeschlossen. Andererseits traf man sich gerne zu Familienfeiern, Ritterturnieren usw. Erbteilungen wie bei den Welfen, gab es nun auch zwischen den askanischen Brandenburgern und dann zwischen den Söhnen der Herzogin Helena. Der welfische, der anhaltische und auch der sächsische Hof frönten dem Minnegesang. Helenas Schwager Graf Heinrich von Anhalt wurde in der Manessischen Bilderhandschaft als Minnesänger dargestellt. Ihr Gatte Albrecht wurde von Tannhäuser als fürstlicher Gönner der Minnesänger bezeichnet.[6]

Angesichts der aufblühenden Städte und der um sich greifenden Armut veränderte sich die damalige Römische Kirche; im 13. Jahrhundert entstanden in den aufblühenden Städten Bettelorden wie der der Franziskaner und boten den Städtern seelsorgerische und spirituelle Dienstleistungen. Die Bedeutung einer Stadt lässt sich an der Anzahl der in ihr beheimateten Konvente ermessen, denn die  wirtschaftliche Basis der Franziskaner wurde das Betteln oder Terminieren. Der Bau eines Klosters stärkte die Zentrumsfunktion einer Stadt gegenüber dem Umland, was den Fürsten neben ihren religiösen Intentionen beim Ausbau der Landesherrschaft half. Bei Aufenthalten in Wittenberg musste die Herzogsfamilie Gottesdienste in Pratau besuchen, was bedeutete, dass sie dafür bei Wind und Wetter, bei Herbststürmen, im Winter und bei Hochwasser über die Elbe übersetzen musste, oder man ging in die nicht standesgemäße Pfarrkirche der Wittenberger Bürger. So sicherlich auch 1258 und in den folgenden sehr kalten Wintern. Noch hatte die Herzogsfamilie keine Erlaubnis zur Gründung einer Kapelle in ihrer Burg. Das gelang erst dem Enkel, Rudolf I. von Wittenberg, der damit das Vermächtnis seiner verstorbenen Frau Kunigunde erfüllte und die Schlosskirche gründete.  

Für Herzog Albrecht I. kam bei seiner Zustimmung zu den Gründungsplänen seiner Frau Helena wohl noch etwas hinzu: Die für eine Adelsfamilie außerordentlich wichtige Familiengrablege war für ihn die alte askanische Grablege in Ballenstedt. Die fortdauernde schwere Sorge um das Seelenheil trieb die tief religiösen Menschen im Mittelalter um. Er benötigte dringend ein neues repräsentatives Gebets- und Gedenkzentrum für seine politisch erstarkende Familie. Mit der Gründung des Franziskanerklosters in Wittenberg wurde die sich entwickelnde Stadt politisches, wirtschaftliches und spirituelles Zentrum des Herzogtums Sachsen. Eine Klostergründung hätte Herzog Albrecht als Landesherr aber nicht ohne päpstliche Rückendeckung gegen die eingesessene Geistlichkeit durchsetzen können.

Grundlage für die Beziehungen des Franziskanerordens zu Fürstenhäusern und Herrscherfamilien, aber auch zum immer wohlhabender werdenden Bürgertum, wurde die von Papst Innozenz IV. am 25. Februar 1250 erteilte Erlaubnis,  auch Personen, die nicht zur Klostergemeinschaft gehörten, auf dem Klosterareal zu bestatten,[7] und Familiengrablegen zu schaffen. Die Ordensregeln der Franziskaner ließen allerdings nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten des Einflusses der Landesherren auf die Besetzung der Klöster und deren Inanspruchnahme für weltliche Aufgaben zu. Das von den Franziskanern angestrebte Ideal der Besitzlosigkeit schloss zudem eine territoriale und wirtschaftliche Funktion ihrer Klöster aus. Die Besetzung der zeitlich begrenzten Klosterämter des Guardian und der Lektoren durch Wahl oder Bestimmung auf den Provinzkapiteln erschwerten zusätzlich die Rekrutierung von franziskanischem Kanzleipersonal für den landesherrschaftlichen Dienst.[8] Franziskaner wurden dennoch im 13. Jahrhundert geschätzte Beichtväter des Adels und betrieben auch in Wittenberg neben der Stadtkirche die Seelsorge und Predigttätigkeit für die Bürger.

Ihre Klosterkirchen, Kirchhöfe als Begräbnisorte und teilöffentlichen Klosterräume, wie der Kreuzgang bildeten innerhalb eines Stadtviertels nicht nur zentrale von den Städtern genutzte Kommunikationsorte;  ihre Klosteranlagen hatten wegen der Stadtrandlage auch eine wehrhafte Aufgabe; wurden Teil der Stadtbefestigung. Das Mauerwerk des Klosters war laut archäologischer Bauforschung vergleichbar mit der um 1300 gebauten Ringmauer der askanischen Herzogsburg in Wittenberg.[9] Das bauliche Bild von Burg und Kloster war also gleich und repräsentierte das Herrschaftszentrum der askanisch-sächsischen Herrscherfamilie. Immer mehr Bürger begannen die Nähe dieser landesherrlichen Einrichtungen zu suchen, die auch ihnen Reputation und wirtschaftliches Fortkommen versprachen. Die Herzogsstadt blühte weiter auf und erhielt bald Stadtrechte.  

Es haben sich keine Stiftungsurkunden von Franziskanerklöstern in der Ordensprovinz Sachsen erhalten. Sie entstanden sicherlich aus dem Expansionsbestreben des Ordens, unterstützt vom Bedürfnis der Herrscherfamilien nach geistlicher Unterstützung und repräsentativem Totengedenken für ihre Verstorben. Der Orden hatte 1223/1224 den Sitz des Erzbischofs von Magdeburg an der Elbe erreicht, den Fluss dann aber nicht überschritten. Offenbar entstand die Magdeburger Kustodie der Franziskaner im Diözesanverband des Erzbistums. Bischofssitze und Flüsse waren die Wege der Ausdehnung. So dürfte im erzbischöflichen Halle der nächste Konvent entstanden sein. Erstmals östlich der Elbe entstand um 1235 im anhaltischen Zerbst eine weitere Niederlassung. Dem folgten das sächsische Wittenberg, das zum Bistum Halberstadt gehörende Aschersleben, das gräfliche Barby und Ende des Jahrhunderts Burg. Der raschen Ausdehnung des Ordens standen der Mangel an entwickelten Städten und Bistümern in Mitteldeutschland entgegen. Darum gerieten der politisch und wirtschaftlich erstarkende Adel und dessen Frauen in den Fokus der gründungswilligen Franziskaner. Die Initiative der Herzogin Helena zur Gründung des Wittenberger Franziskanerklosters dürfte also auch vom nach Expansion strebenden Orden befördert worden sein, der in Wittenberg ein wachsendes pastorales Aufgabenfeld vorfand, das zudem noch ohne Konkurrenz durch andere Ordensgemeinschaften war.[10]

Die Bauarbeiten dürften seit dem kalten und verregneten Sommer 1258 schwierig geworden sein, dem Überschwemmungen, Missernten, Hungersnöte und Epidemien folgten.  Heute wissen wir, dass der Ausbruch des indonesischen Supervulkans Samalas im September 1257 jahrelang zu weltweiten Klimaschwankungen geführt hat.[11] Die Lebensbedingungen verschlechterten sich auch im heutigen Mitteldeutschland erheblich. Elbehochwasser dürften damals viele Entscheidungen beeinflusst haben. Wahrscheinlich diente ein nicht unerheblicher Teil des Klosterkomplexes wenigstens als temporärer Aufenthaltsort, vielleicht sogar zeitweise als Residenz. Man fand zwei beheizbare steinerne Wohnbauten auf dem Gelände des Klosters.[12] Die Herzogsfamilie fand bei ihren Aufenthalten in Wittenberg gute Wohnbedingungen in hochwassersicherer Lage vor. Im Februar 1261 war es so kalt, dass der Deutsche Ritterorden mit verbündeten Dänen weit über zugefrorene Meerengen der Ostsee zu sonst schlecht erreichbaren Inseln vordringen konnte.[13]

1252 starben sowohl Helenas Vater, Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg (Otto das Kind), als auch Helenas Schwager, Graf Heinrich von Anhalt. Ihre nun verwitwete Schwester Mechthild, auch: Mathilde, übernahm nun als Äbtissin des Reichsstiftes Gernrode die Regierung eines der renommierten Reichsdamenstifte im nördlichen Vorharzland. Die Ausbildung der Welfentöchter in einem dieser Damenstifte hatte sie offensichtlich gut auf die Übernahme von Regierungsgeschäften in dieser männlich bestimmten Welt vorbereitet.

Im Sommer 1258 verhandelte Helenas Gatte mit König Otakar von Böhmen über die Anerkennung König Albrechts und kämpfte vergeblich um die Oberlehnsherrschaft des Bistums Ratzeburg. Helena dürfte in diesen Monaten mit den Bauplänen in Wittenberg allein gewesen sein. 1259 war der Herzog wieder auf der Baustelle und bestätigte am 28. September in Wittenberg seine zu Gunsten des Deutschen Ritterordens ausgestellten Urkunden und Schenkungen.[14] 1260 nahmen die verschwägerten Herzöge Albrecht von Braunschweig und Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg am Thüringischen Erbfolgekrieg teil. Mit einer Schar Ritter und den hessischen Truppen der Sophia von Brabant fiel in Westthüringen ein und verwüstete das Land bis nach Erfurt.[15] Er verliert die Herzogsgewalt in den Diözesen Minden und Osnabrück. Ende Juni bis Ende September 1260 hielt sich Helenas Gatte Albrecht auf seiner geliebten Burg Gloworp bei Aken auf und unterzeichnete verschiedene Schenkungsurkunden an Klöster der Umgebung.[16]  Als Herzog Albrecht in diesem Herbst 1260 aus ungeklärten Gründen an einem nicht genanntem Ort (Wittenberg oder Aken?) starb, war die Wittenberger Klosterkirche sicherlich noch im Bau. Die erneut verwitwete0 Helena bestattete ihren Gatten im brandenburgischen Kloster Lehnin, das den mit den Wittenberger Askaniern verwandten brandenburgischen Askaniern noch als Familiengrablege diente.

 

Wie einst ihre Großmutter Helena von Dänemark übernahm sie nun für ihre unmündigen Söhne die Regentschaft. Schon am 7. Oktober 1260 unterzeichnete sie als Vormund ihrer Söhne eine erste Urkunde.[17]  Am 26. April 1261 verzichtete Herzoginwitwe Helena mit Zustimmung der Söhne Johann und Albrecht auf das Land Triebsees zu Gunsten des Bistums Schwerin zu Händen des Reiches und verliehen es dem Bistum zur jährlichen Gedächtnisfeier für den verstorbenen Herzog Albrecht I. von Sachsen. Am 27. April 1261 schloss sie im Beisein ihrer Söhne mit dem Ratzeburger Domkapitel einen Vergleich, aus dem hervorgeht, dass der Herzog längere Zeit mit dem Kapitel um das Land Boitin gestritten hatte. Er hatte dem Kloster den Zehnten zugestanden, als Klostervogt aber die Gerichtsbarkeit über Boitin an sich genommen, wobei er sich wohl auf alte askanische Rechte berufen hatte. Die Askanier verzichten nun gegen Zahlung von 1300 Mark auf Boitin. Am 6. Juni 1265 schenkte Herzoginwitwe Helena mit Zustimmung ihrer Söhne Johann und Albrecht von Sachsen dem Heilig-Geist-Stift in Parchim zum Seelenheil ihres verstorbenen Gatten Albrecht  drei Hufen im Dorf Grebbin.[18] Ihre Gedenkstiftungen bezeugen ihr gutes Verhältnis zu ihrem verstorbenen Ehemann.

Zwischen dem 1. Juli 1268 und dem 1. April 1271 endete Herzogin Helenas Vormundschaft und Regentschaft für die Söhne. Am 1. Juli 1268 gab sie noch ihre Einwilligung zur Bestätigung der Privilegien, die Herzog Albrecht I. von Sachsen der Stadt Hitzacker verliehen hatte.[19] Schon 1268 stellten ihre Söhne selbständig eine Urkunde aus. Gemeinsam wurden die Brüder Vogt von Lübeck und Johann unterstützte die wirtschaftlichen Bestrebungen Lübecks[20], das die Führung in der Hanse inne hatte. 1270 gründete Herzog Johann das Kollegiatsstift St. Nikolai in Aken. Dabei wirkten sein Bruder Albrecht II. und ihre Mutter, Herzogin Helena, mit. Es sollte als Hauskloster religiös-liturgische Aufgaben und herrschaftlich administrative Tätigkeiten erfüllen. Am 1. April 1271 schlossen die Herzöge Johann I. und Albrecht II. selbständig, ohne Vormundschaft ihrer Mutter, einen weiteren Vertrag mit dem Ratzeburger Bistum.[21] Die territorialpolitische Entwicklung und Elbehochwasser ließen jedoch Wittenberg weiter zum Zentrum ihrer Hauspolitik werden. Die Söhne Helenas trugen zur Konsolidierung des von ihrer Mutter gegründeten Wittenberger Franziskanerklosters bei, indem sie hier die Familiengrablege einrichteten und damit den zentralen Ort der Herzogsfamilie, an dem sie die Legitimation ihrer Landesherrschaft repräsentierten.

Als vor einigen Jahren auch das Grab der Herzogin in der von ihr gegründeten Klosterkirche gefunden wurde, stellten die Archäologen fest, dass die Fürstin zu Lebzeiten etwa 160cm groß gewesen ist. Sie wurde zwischen 40 und 55 Jahre alt. Man konnte anhand der gefundenen Knochen u.a. eine leichte Arthrose, und eine Spondylosis deformans von Brustwirbel 10 bis Lendenwirbel 4 (Wirbelsäulenverschleiß, der häufig zu starken Rückenschmerzen führt) sowie eine Karies an den Zähnen feststellen.[22]

Laut Zerbster Totenbuch starb sie am 6. September 1273.[23] Sie wurde als erste in der Franziskanerklosterkirche in einem Holzsarg bestattet und erhielt einen Ehrenplatz in einer besonders tief reichenden, gemauerten Grabkammer inmitten des Chores. Es sind keine Memorialstiftungen für oder durch sie bekannt, auch nicht ob und wie sie die Klostergründung in Wittenberg unterstützt hat. Man nimmt sogar an, die Wahl ihres Begräbnisortes hing damit zusammen, dass Wittenberg nach dem Tod ihres Gatten zu ihrem Witwensitz bestimmt wurde, an dem sie dann auch bestattet wurde.

 

[1] Ernst SCHUBERT (Hrsg.): Politik, Verfassung, Wirtschaft vom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert (Geschichte Niedersachsens. Bd. 2, Teil 1). Hannover 1997, S. 518

[2] Hermann STEUDNER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260), Inaugural-Dissertation, B. Angerstein 1894, aus: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, 28. Jg. (1895), S. 58 Anm. 1

[3] Fritz BÜNGER und Gottfried WENTZ, Das Bistum Brandenburg, in: Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte (Hrsg.), Germania Sacra. Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg. 2. Teil, Band 3, Berlin, Verlag Walter de Gruyter & Co, 1941, S. 376; Johannes SCHLAGETER, Das Franziskanerkloster in Wittenberg bei der Gründung der Universität (1502) und im Beginn der Reformation (1517/25), in: Wissenschaft und Weisheit. Franziskanische Studien zu Theologie, Philosophie und Geschichte. Band 65/1, 2002, S. 84f., 86, 87; Lorenz Friedrich BECK, Herrschaft und Territorium, S. 233f.

[4] Herbert BECKER, Gardelegen – Geschichten zur Geschichte der Stadt, Teil 1 Gardelegen bis 1488, Gardelegen 1989, S. 41

[5] MEYN, Vom spätmittelalterlichen Gebietsherzogtum zum frühneuzeitlichen "Territorialstaat": Das askanische …, Schriftenreihe der Stiftung Herzogtum Lauenburg. Band 20, 2. Auflage, Hamburg 1998, S. 67

[6] Joachim BUMKE, Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, Band 2 der Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter, hrsg. Von Bumke, Cramer und Kartschoke, München, Deutscher Taschenbuchverlag 1990, S. 19

[7] Lars SCHULENBURG, Leben und Wirken der Franziskaner in Wittenberg, in: Harald Meller (Hrsg.) Archäologie in Wittenberg III Die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner in Wittenberg. Aktuelle Ausgrabungen und neue Forschungen 2008-2015. Kolloquium, Halle 2019,  S. 282

[8] Michael KLEINEN, Franziskaner und Dominikaner - zwei Seiten einer Medaille?, in: Stefan Pätzold (Hrsg.), Bibel, Bildung, Bettelorden. Sechs Kapitel aus Magdeburgs Kirchengeschichte im Mittelalter, Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Heft 20, 2001, S. 75f.

[9] Johanna REETZ, Die Untersuchungen auf dem Hof des Wittenberger Schlosses, in: Johannes Helten und Andreas Hille (Hrsg.), Archäologie in Wittenberg I. Das Schloss des Kurfürsten und der Beginn frühneuzeitlicher Stadtbefestigung von Wittenberg, Kolloquium zu den aktuellen Ausgrabungen im Vorschloss, Halle 2014, S. 10

[10] Bernd SCHMIES, Das Wittenberger Franziskanerkloster im Gefüge der Sächsischen Ordensprovinz, in: Harald Meller (Hrsg.) Archäologie in Wittenberg III Die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner in Wittenberg. Aktuelle Ausgrabungen und neue Forschungen 2008-2015. Kolloquium, Halle 2019, S. 271f.

[11] Rätselhafter VULKANAUSBRUCH. Dokumentation, Arte Frankreich 2017. Regie: Pascal Guérin.; Das Rätsel um den tödlichen Supervulkan auf YouTube von Quarks.

 

[12] Holger RODE, Die Abfallgrube der Alchemistenwerkstatt und die anatomischen Befunde im aufgelassenen Franziskanerkloster, in: Harald Meller, Alfred Reichenberger, Christian-Heinrich Wunderlich (Hrsg.), Alchemie und Wissenschaft des 16. Jahrhunderts. Fallstudien aus Wittenberg und vergleichbare Funde. Internationale Tagung, Landesmuseum für Vorgeschichte Halle Band 15, 2016, S. 29

[13] Joachim BUMKE, Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, a.o.a.O., S. 19

[14] Hermann STEUDENER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260), Inaugural-Dissertation, B. Angerstein 1894, aus: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, 28. Jg. (1895), S. 111

[15] Hermann HECKMANN, Thüringen. Historische Landeskunde Mitteldeutschlands, 1986, S. 55

[16] Hermann STEUDENER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260), a.o.a.O., S. 112

[17]Lorenz Friedrich Beck, Herrschaft und Territorium, a.o.a.O., S. 134f.; Lorenz Friedrich BECK, Das vergessene Kurfürstentum. Die herzoglichen Askanier und ihr Territorium zwischen Fläming, unterer Mulde und Schwarzer Elster, in: Die frühen Askanier. Protokoll der Wissenschaftlichen Konferenzen… Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Heft 28, Halle 2003, S. 76

[18] Hermann STEUDENER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260), a.o.a.O., S. 112f.

[19] Hermann SEUDENER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260), ebenda S. 114

[20] Otto von HEINEMANN, Johann I., Herzog von Sachsen-Lauenburg, in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 322

[21] Hermann STEUDENER, Albrecht I., Herzog von Sachsen (1212 - 1260, a.o.a.O., S. 114

[22] Christian MEYER, Jens BRAUER, Holger RODE und Kurt W. ALT, Osteoarchäologische Untersuchung und Identifizierung der Bestattungen der kurfürstlichen Askanier in der Klosterkirche der Franziskaner zu Wittenberg, in: Harald Meller (Hrsg.) Archäologie in Wittenberg III Die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner in Wittenberg. Aktuelle Ausgrabungen und neue Forschungen 2008-2015. Kolloquium, Halle 2019, S. 200, 200 Abb. 3 Grabbefund 142

[23] Franz JÄGER, Das sogenannte Zerbster Totenbuch. Eine quellenkritische Vorstellung unter Berücksichtigung eines Archivfundes in Weimar, in: Harald Meller (Hrsg.) Archäologie in Wittenberg III Die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner in Wittenberg. Aktuelle Ausgrabungen und neue Forschungen 2008-2015. Kolloquium, Halle 2019, S. 329 Anhang 3 Nr. 1

 

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