Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 3 Hatheburg
Hatheburg von Merseburg (876 bis nach 909)[i] – verstoßene erste Ehefrau des späteren Königs Heinrich I.
Hatheburg wurde im Jahre 876 geboren. Sie war eine der beiden Töchter des im Kampfe gegen die slawischen Daleminzer im Raum Merseburg mächtig und reich gewordenen Erich von Merseburg. Der Adel und besonders der hohe Adel, der etwa 1% der Bevölkerung ausmachte, grenzte sich unter anderem durch die Ehe, besondere Eherechte und Familienbeziehungen von der übrigen Bevölkerung ab. Eheschließungen unterlagen einem sehr diffizilen Eherecht und begründeten die Nachfolge und Erbrechte der in der Ehe geborenen Kinder und besonders der Söhne. Eheschließungen wurden gerne als Zeichen für die Beendigung einer der vielen Adelsfehden genutzt und sollten Freundschaften zwischen einzelnen Herrschersippen begründen und festigen.
Töchter des hohen Adels wurden oftmals sehr jung in Klosterschulen gegeben, um ihnen dort eine gewisse Bildung zu verschaffen. Im Gegensatz zu ihren Ehemännern konnten viele von ihnen lesen, schreiben, Choräle singen und oft sogar etwas Latein. Graf Erich verheiratete seine beiden Töchter, so wie damals üblich, im Alter von etwa 15 Jahren; Hatheburg um 890 mit einem namentlich unbekannten Mann. Nachdem der Ehemann der jungen Frau um 900 gestorben war, nahm die inzwischen etwa 24jährige kinderlose Witwe den Schleier und trat, sicher mit Zustimmung ihres Vaters, als Nonne in ein Kloster ein. Viele Namen und Orte im Leben der Hatheburg sind unbekannt; in der Überlieferung hat man sich um dergleichen im Zusammenhang mit Frauen nicht gekümmert. Doch das Kloster, in das sie eintrat, sicherlich um hier in religiöser Andacht näher bei Gott zu sein und vielleicht auch, um einer weiteren Verheiratung zu entgehen, wird über den Schritt der Frau sehr erfreut gewesen sein. Üblicher Weise brachten die ins Kloster eintretenden Nonnen, die alle aus adeligen Familien stammten, Besitztümer und Zuwendungen aus ihren Familien mit, die so auf immer Eigentum der Kirche beziehungsweise des Klosters wurden. Die Kirche wurde seit dem frühen Mittelalter einer der größten Grundbesitzer und ungeheuer reich. Hatheburg war eine der beiden Erbinnen des begüterten Erich von Merseburg. Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass der dritte Sohn des sächsischen Herzogs, der spätere König Heinrich I., im Frühjahr 906 auf die Nonne Hatheburg aufmerksam geworden ist. Sie soll Heinrichs Jugendgeliebte gewesen sein.[1] Die Ostfranken und ihnen voran die Liudolfinger, deren Stammgüter sich bei Gandersheim befanden, versuchten, weiter nach Osten zu expandieren. Heinrich hatte als dritter Sohn keine Aussicht auf die Nachfolge für seinen Vater, Herzog Otto, und musste sich sozusagen selbst eine Herrschaft erobern. Er zog angeblich im Auftrag seines Vaters 905/906 bei Meißen gegen die hier ansässigen slawischen Daleminzer, konnte sie aber nicht besiegen. Erich von Merseburg starb 906 bei der Abwehr der in die Thüringische Mark eingefallenen Ungarn, die sich mit den sorbischen Glomacern gegen die christlichen Franken verbündet hatten. Heinrich unterwarf nun die Region bis an die Mulde mit Hilfe seiner berüchtigten Merseburger Legion.[2] Erichs Tochter, die Nonne Hatheburg, wurde 906 durch den Tod des Vaters reiche Erbin und war ohne machtvoll hinter ihr stehender Familie. Plötzlich entbrannte Heinrich in jugendlicher Liebe zu der in Klausur lebenden schönen Nonne. Er holte sie, gegen alles Recht, aus dem Kloster und vermählte sich im Frühjahr 906 unkanonisch mit Hatheburg, die dafür den Schleier wieder ablegte und ihr Erbe aus dem Kloster löste.
Bischof Sigimund von Halberstadt erregte viel Aufsehen, als er gegen diese Ehe protestierte. Nach Kirchenrecht sei diese Ehe ungültig, da Hatheburg in ein Kloster eingetreten war. Klostereintritte waren unabänderlich. Die Nonnen hatten in strenger Klausur zu leben, galten als Bräute Christi. Eine Befreiung der Hatheburg aus ihrem Gelübde sei weder beantragt noch je ein Dispens dafür erteilt worden. Doch war diese Argumentation wohl nur nach außen hin der Grund für den massiven Protest des Bischofs des im Aufbau befindlichen Bistums Halberstadt, zu dessen Herrschaftsbereich das Kloster der Hatheburg offenbar gehörte. In Wirklichkeit ging es wohl um ihr Erbe. Und jetzt kommt, wie so oft, wenn es um die Ausschaltung von Frauen geht, die Erotik ins Spiel. Um die Zeugung eines rechtmäßigen Erben zu verhindern, untersagte der Bischof dem Paar den Beischlaf und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung mit dem Kirchenbann, also der Exkommunikation. Zudem berief er eine Synode ein und ließ Heinrich und Hatheburg laden, um sie vor ein kirchliches Gericht zu stellen. Dennoch wurde der gemeinsame Sohn geboren und auf den in der liudolfischen Familie durch einen älteren Bruder Heinrichs tradierten Namen Thankmar getauft. Diese Tatsache erklärt den späteren Kampf Thankmar um Anerkennung, denn mit dieser Namensgebung hatte der Clan den Sohn Heinrichs offiziell als Nachfolger seines Vaters anerkannt. [3] In der Synode von Trebur erlangte Heinrichs Vater Otto der Erlauchte, Oberhaupt der liudolfingischen Familie, Herzog von Sachsen und Laienabt des Klosters Hersfeld, am 5. Oktober 908 für sein Kloster die freie Abtswahl. Es ist möglich, dass die Liudolfinger dafür der Trennung der Ehe Heinrichs und Hatheburgs zustimmten.[4] Heinrich strich nun das Erbe seiner Frau ein und schickte sie, immerhin als Äbtissin, zurück in ein Kloster. Angeblich behielt er ihr reiches Erbe ein, weil er es nicht der Kirche ausliefern wollte. Der bodenverbundene Bauer in Heinrich wehrte sich instinktiv gegen die von der Kirche geforderte und geförderte Mobilisierung des Grundbesitzes und damit gegen das erste Eindringen des römisch-rechtlichen Eigentumsbegriffes in altheiliges germanisches Gewohnheitsrecht.[5] Jedenfalls konnte er mit dem Vermögen Hatheburgs seine Kriegszüge und Gefolgsleute wirtschaftlich absichern und gewann seiner Familie die umstrittenen reichen Ländereien im Hosgau
Hatheburg hat sich als Äbtissin sicherlich nicht um ihren Sohn kümmern können. Sie soll irgendwann an einem 21. Juni verstorben sein. Heinrich hat kurz nach der Trennung von Hatheburg die damals etwa 14jährige Mathilde aus der aufstrebenden Familie der Immedinger, geheiratet. Von 919 bis zu seinem Tod am 2. Juli 936 war Heinrich der erste deutsche König und legte die Grundlagen zur Gründung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation durch seinen in der zweiten Ehe geborenen Sohn Otto. Otto, und eben nicht Hatheburgs Sohn Thankmar, ging als erster Kaiser dieses von ihm gegründeten Reichs in die Geschichte ein. Thankmar wurde durch seinen Vater Heinrich I. und seine jüngeren Halbbrüder trotz seiner bei seiner Geburt erfolgten Anerkennung derart schlecht behandelt, dass er den Aufstand gegen seinen Bruder Otto wagte. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Thankmar am 28. Juli 938 mit Duldung seines Halbbruders, König Ottos I., auf der Eresburg ermordet.
[1] Theo Sommerlad, König Heinrich I. als Gegner de politischen Klerikalismus, in: Thüringisch-sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst hrsg.v. Theo Sommerlad, Band XXV, Halle 1937, S. 9ff.
[2] Harry Schilka, Zur Topographie des Leipziger Stadtkerns. Ein regionalgeschichtlicher Abriß vom 8. bis 12. Jahrhundert, in: Sächsische Heimatblätter, 36. Jg., Heft 2, 1990, S. 63
[3] Ich danke Dr. Thomas Dahms für ein diesbezügliches Gespräch am 27. Juli 2021
[4] Kerstin Schulmeyer-Ahl: Der Anfang vom Ende der Ottonen. Konstitutionsbedingungen historiographischer Nachrichten in der Chronik Thietmars von Merseburg (= Millennium-Studien. 26), Berlin u.a.: de Gruyter 2009, S. 70
[5] Theo Sommerlad, König Heinrich I. als Gegner de politischen Klerikalismus, in: Thüringisch-sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst hrsg.v. Theo Sommerlad, Band XXV, Halle 1937, S. 12f.
[i] RI II,1 n. c, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0906-00-00_2_0_2_1_1_3_c und 3_0_2_1_1_4_d
(Abgerufen am 18.12.2018 ESt).
Bild zur Meldung: Idealbild der Merseburger Burg um 920, (Quelle: Schmidt Sponsel)