Die andere Seite der Geschichte - Frauen in Sachsen und Anhalt 2 Walpurga Bugenhagen
Walpurga Bugenhagen - die erste Wittenberger Pfarrfrau und Mitreisende
Walpurga Bugenhagen soll zu Walpurgis also am 1. Mai 1500 in Torgau geboren worden sein. Am 13. Oktober 1522 reichte sie dem noch völlig mittellosen Johannes Bugenhagen die Hand zur Ehe. Diese Ehe wurde sicherlich nicht aus Liebe geschlossen, für ihn war sie ein tiefes Bekenntnis gegen das Zölibat. Für sie war der Schritt in diese Ehe wohl noch bemerkenswerter, denn sie vermählte sich mit einem noch unbemittelten ehemaligen Mönch.
Luther hatte im Dezember 1520 nicht nur die Bannandrohungsbulle verbrannt, sondern auch die Bücher Kanonischen Rechts. Dadurch lebten die sich nun verheiratenden ehemaligen Mönche mit ihren Frauen in einem rechtsfreien Raum. Die Reformation musste ein völlig neues Eherecht schaffen.
Im Sommer 1522 löste Bugenhagens erste Braut, eine Wittenberger Bürgerstochter, ihr Verlöbnis mit ihm auf, weil sie sich angeblich vor der Schmach fürchtet, die eines geweihten Priesters Ehefrau damals in den Augen Vieler trug.
Nicht nur auf ihrer Seite scheint es mit der Liebe nicht weit her gewesen zu sein, denn Bugenhagen verlobte sich bald auf die Auflösung des Verlöbnisses mit der Wittenbergerin mit der wahrscheinlich aus Torgau stammenden Walpurga (*Triller) und heiratete sie am 13. Oktober 1522. Luther und andere Universitätslehrer waren zugegen und die Freunde sorgten für eine angemessene Feier.[1] Am 4. Oktober 1522 berichtete Luther Spalatin, Bugenhagen werde am 13. Oktober heiraten und er bitte ihn sehr herzlich dafür zu sorgen, dass Kurfürst Friedrich zu dieser Hochzeit etwas Wildbret stiftet, "denn einmal ist er es wert, und zum andern auch unseretwegen, die wir seine Gäste sein werden. Und ob wir würdig sind, das magst du alleine beurteilen." Am Hochzeitstage berichtete Luther, der Kurfürst habe durch seine Gabe eine frohe Feier ermöglicht. Außerdem wurde dem Bräutigam ein vom Kurfürsten gespendetes Goldstück überreicht, das angeblich ein Geschenk Spalatins war. Luther versicherte in seinem Dankschreiben, es werde auch Bugenhagen gegenüber geheimgehalten werden, wer der wirkliche großzügige Geber gewesen sei.[2] Hochzeitsgeschenke an einen geweihten Priester, diese Kunde hätte Kurfürst Friedrichs Ansehen im Reich beschädigen können und musste also geheim bleiben.
Über Bugenhagens Eheschließung am 13. Oktober 1522 erzählte Luther bei Tisch, daß "Herr Pomeranus, als er seine Frau in die Ehe führte, zu ihr gesagt habe: hier hast du alle Schlüssel; aber ich behalte mir das Schwert vor."[3] Er war später auch in seiner Ehe mit Katharina der Meinung, die Ehefrau habe als Hausfrau die Macht über das alltägliche Leben in Haus und Hof, habe alle Schlüssel; die rechtliche Gewalt über alle Hausgenossen, also auch über die Ehefrau, habe aber der Ehemann als Hausherr.
Bugenhagen war seit seiner Ankunft in Wittenberg im März 1521 eng mit Melanchthon, Luther und Cranach verbunden. Sie bildeten sozusagen „das vierblättrige Kleeblatt der Wittenberger Reformation“.
Die Anwesenheit ihrer Frauen bei Tisch oder Festlichkeiten wurde es nicht für wert gehalten, auch nur notiert zu werden. In Briefen wurden sie von ihren Ehemännern häufig erwähnt. Sie wurden immer wieder mit Geschenken bedacht. Katharina Melanchthon und Walpurga Bugenhagen haben sich angeblich immer still verhalten und sich nur ihren Männern, Kindern und ihrem riesigen Haushalt, samt Gästeversorgung, Studentenburse, Braurecht, Garten, Hausvieh und Landwirtschaft gewidmet.
Bugenhagen und wurde auf Betreiben Luthers am 25. Oktober 1523 zum Stadtkirchenpfarrer gewählt. In dieser Funktion sicherte er der Reformation den Durchbruch in den Köpfen der Bürger. Zudem spielte er bei der Bibelübersetzung und der Schaffung von Organisationsstrukturen durch Kirchenordnungen eine wesentliche Rolle. Seine wachsende Familie war von nun an wirtschaftlich abgesichert. Das ist ungewöhnlich, denn Pfarrerswitwen und ihre Kinder waren es gemeinhin nicht, wenn die Familie von der Pfründe des Verstorbenen gelebt hatte, wie es auf dem Lande meist geschah. Dann musste die Familie die Pfründe verlassen, es sei denn die Witwe heiratete den Nachfolger ihres Gatten.
Walpurga Bugenhagen wurde die erste Pfarrfrau in Wittenberg, doch das Gerede in der Stadt blieb. 1525 musste Clara Jeßner die große Summe von 2 Schock Groschen an die Stadtkasse als Buße zahlen. Sie hatte sich in der Öffentlichkeit abfällig über die Lutherin und die Bugenhagen als Ehefrauen ehemaliger Mönche geäußert. Nicht nur die Luthers, sondern auch die anderen Reformatoren und ihre Frauen wurden von ihrer Umwelt besonders beobachtet und waren in der Stadt und auch sonst viel Klatsch und Tratsch ausgesetzt.[4] Pfarrhäuser gelten teilweise noch heute als gläsern. Das bringt und brachte allen im Hause Lebenden, egal ob Erwachsener oder Kind, zusätzlichen Stress, gilt es doch, keine zusätzliche Aufmerksamkeit zu erregen.
Angesichts der bedrohlich gewordenen Pest zog Bugenhagen im August 1527 mit seiner Familie in das als ehemaliges Kloster am Stadtrand sicherer scheinende Lutherhaus. Hier brachte Walpurga am 31. Dezember einen Sohn zur Welt, den man auf den Namen Johannes taufte. Auch für die Taufe aller Reformatorenkinder benutzte man das erhalten gebliebene wundervolle Bronzetaufbecken in der Stadtkirche, der 1. Pfarrer Bugenhagen war. Kinder wurden gerne auf den Namen von Vater, Mutter, Großvater, Großmutter oder eines zu ehrenden Fürsten, auch einer Fürstin, getauft. Auch die Bugenhagens hatten wegen ihrer Kinder unglaublich viel Kummer. Erst ihr dritter auf den Vatersnamen getaufte Sohn Johannes überlebte.
Bugenhagen wurde der Reformator Norddeutschlands und Dänemarks. Ungewöhnlicher Weise nahm er auf seine vielen Reisen meist seine Familie mit. Walpurga Bugenhagen ist also sehr viel gereist.
Am 9. Oktober 1528 trafen Bugenhagen und seine Frau und Kinder z.B. in Hamburg ein. Die Ratsherren Otto Bremer und Johann Wetkens und andere Männer mit ihren Hausfrauen empfingen den berühmten Reformator mit einem Festessen. Ob Walpurga bei diesem Empfang anwesend war, wird nicht erwähnt. Der Hof des abwesenden D. Berthold Möller wurde der Familie mit Möllers Einverständnis, als Wohnung angewiesen. Diesen Hof führte in den folgenden Wochen die Frau Bugenhagens. Am folgenden Tag begrüßte ihn Bürgermeister Dietrich Hohusen mit Gerd von dem Holte und Johann Hülpe, die ihn im Auftrage des Rates reich mit Lebensmitteln beschenkten. Die Köchin Möllers soll der Familie in Hamburg dienen, geriet aber schnell in Verdacht, Bugenhagen und seiner Frau mit Zauberei alsHexe zu schaden und wurde gefangen gesetzt. Sie wurde nach wenigen Tagen auf Bitten Bugenhagens, der sie vielleicht nur aus dem Hause haben wollte (!), freigesetzt. Man erzählte sich, sein um Ostern 1529 tot geborenes Kind, gehe zu Lasten der Hamburger Köchin; doch es war nicht missgestaltet. Bugenhagen selbst befürchtete, seine Arbeit in Hamburg werde viel schwerer, als die in Braunschweig und würde, vielleicht, nicht zum Erfolge führen. Luther berichtete Spalatin über einen erfolglosen Versuch, Bugenhagen nach Erfurt abzuwerben.
In Hamburg nahmen die Mönche des Franziskanerklosters nach seinen Predigten das Evangelium an, die Beginen hörten ihn. Die Priorin der Benediktinerinnen des Klosters Reinbek/Holstein, Anna von Plessen, hörte regelmäßig die Predigten des aus Wittenberg gekommenen Reformators, ließ sich von ihm beraten und versuchte, alle ihre Klosterfrauen zu verheiraten. Deshalb schrieb Bugenhagen seine Schrift „Was man vom Klosterleben halten soll“.[5] - 1529 erschien Bugenhagens berühmte erste evangelische Hamburger Kirchenordnung, die neben religiösen und organisatorischen Fragen auch das Wirken von Hebammen und Bademuhmen behandelte.
Am 28. Oktober 1530 traf Bugenhagen mit seiner Frau in Begleitung der Lübecker Bürger Jacob Crapp und Johann von Acheln, die ihn aus Wittenberg abgeholt haben, in der Hansestadt Lübeck. Er predigte am folgenden Sonntag, den 30. Oktober 1530, erstmals in der Lübecker Marienkirche. Dort waren noch 1528 alle lutherischen Schriften aus dem Besitz der Bürger auf dem Marktplatz durch die Knechte des Scharfrichters verbrannt worden. Doch in der Stadtkasse war, durch die Einmischung in Nordische Händel, die die Bürger nicht wollten, große Ebbe eingetreten. Unzufriedenheit macht sich breit und bringt den beim alten Glauben gebliebenen Lübecker Rat in Bedrängnis. Der gestattete die Rückkehr vertriebener Prediger und nun eiferte man stark gegeneinander, bis es am 6. April 1530 zwischen Bürgerschaft und Rat zum Vergleich kam. Doch es setzte keine Ruhe ein. Die alten Gebräuche beim Gottesdienst wurden zurückgedrängt. Man erstellte Verzeichnisse der Kleinodien in den Kirchen und bereitete deren Säkularisierung vor. Jürgen Wullenwebers Einfluss wuchs. Am 8. Oktober 1530 traf auf Betreiben des Bürgermeisters Brömse ein kaiserliches Mandat ein, das die Beseitigung aller lutherischen Neuerungen anwies, aber nicht mehr durchgesetzt werden konnte.[6] Es brodelte also gewaltig, als der Reformator mit seiner Familie im wirtschaftlichen Zentrum der alten Hanse eintraf. Wieder wurde Frau Bugenhagen schwanger, wie Bugenhagen im November 1531 seinem Freunde Martin Luther in Wittenberg mittteilte. In den letzten Wochen seines Lübecker Aufenthalts widmete sich Bugenhagen, der bereits seit 1524 in Wittenberg beratend an der Entstehung des niederdeutschen Testaments beteiligt war, der Mitarbeit bei Übertragung der Bibel ins Niederdeutsche. Im Ergebnis dieser Arbeit erschien 1533/34 die prächtig ausgestattete Lübecker Bibel, die erste niederdeutsche Vollbibel, die noch vor Luthers hochdeutscher Gesamtausgabe als „Bugenhagen-Bibel“ in die Geschichte einging. Am 30. April 1532 machte er mit Frau und Kindern sich auf den Rückweg nach Wittenberg.
Am 5. Juli 1537 traf Bugenhagen auf Bitten König Christians mit Familie in Kopenhagen ein. Der König unterstützte die Wittenberger Reformatoren und v.a. die Familie Bugenhagen und sogar Bugenhagens Witwe Walpurga noch über Jahrzehnte mit Geschenken an Lebensmitteln, Pelzen und Geldzuwendungen. Noch heute ist die Krönungkirche in Kopenhagen mit zwei Bugenhagen-Standbildern geschmückt.
Nur während seines Aufenthaltes in Braunschweig im Herbst 1542 blieb Walpurga mit ihren Kindern im Lutherhaus zurück.
Bugenhagen wurde am 25. April 1547 durch seine weinende Frau geweckt: „Ach lieber Herr, erschreckt nicht, unser liebes Landesherr ist gefangen.“ Die Pfarrer blieb im Schmalkaldischen Krieg bei seinen Wittenbergern. Seine Familie ließ er gemeinsam mit Melanchthons Frau, der Lutherin und den Kindern fliehen. Walpurga hatte dieses einzige Mal äußerst strapaziöse und gefährliche Wochen ohne ihren Gatten, um dessen Leben sie ständig fürchten musste, zu überstehen.
Auch nach ihrer Rückkehr erlebte Walpurga in ihrer Familie viel Freud und Leid. Der jüngste Sohn Johannes studierte Theologie und die Töchter Sara, Martha und Johanna konnten hervorragend verheiratet werden. Dann kam wieder der Tod und holte sich Schwiegersohn, Töchter, Enkelkinder und am 20. April 1558 ihren geliebten Ehemann. Auf dessen von Lucas Cranach d.J. gemalten Epitaph in der Stadtkirche kann man die von Schwiegersohn Georg Cracov verfasste Inschrift in lateinischer Sprache lesen: Wie groß war die Redlichkeit seines Geistes, die Tüchtigkeit und Treue, wie groß war samt Frömmigkeit der Glanz seiner Gelehrsamkeit. … Von Herzen hasste er die, die sich beklagen sowie Zank und Streit, und sein Geist war stets bedacht auf Frieden. Das Licht seines Geistes war rein und die Wahrheit liebte er und in seinem Herzen war nicht ein Krümel des Vergehens. Keinem stand er in Gerechtigkeit, keinem in Frömmigkeit nach und nicht irgendein Schandfleck kennzeichnete sein Leben. Nicht verletzte er irgendjemanden, nicht arbeitete er Freunden entgegen. Er brachte mit seinem Verstand keine Sticheleien zu Stande. Das wilde Verlangen beherrschte ihn nicht, auch nicht die Ruhmsucht, die pflegt, Begleiterin für Törichte zu sein. Ein weiser Mann, angesehen und gelehrt, sittenrein und fromm, bei ihm war das Lob der Aufrichtigkeit zu preisen.[7]
Walpurgas Witwenstand dauerte mehr als zehn Jahre an. Sie starb am 28. Juli 1569 und wurde auf dem Wittenberger Kirchhof neben der Stadtkirche beigesetzt, in der sie ihren Gatten so oft hatte predigen hören.
[1] Hermann Hering, Doktor Pomeranus, Johannes Bugenhagen. Ein Lebensbild aus der Zeit der Reformation, in: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 22, Halle 1888, S. 19
[2] Werner Rautenberg. Johann Bugenhagen. Beiträge zu seinem 400. Todestag, Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1958, S. 29f., nach: WATr. 2, S. 189
[3] Werner Rautenberg. Johann Bugenhagen. Beiträge zu seinem 400. Todestag, Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1958, S. 29f., nach: WATr. 2, S. 189
[4] Sabine Kramer, Katharina von Bora in den schriftlichen Zeugnissen ihrer Zeit. Leucorea Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie 21, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2016, S. 105, nach: KR, S. 112
[5] Karl August Traugott Vogt, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften. Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der lutherischen Kirche Band 4 Bugenhagen, Elberfeld 1867, S. 310f.
[6] Karl August Traugott Vogt, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften. Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der lutherischen Kirche Band 4 Bugenhagen, Elberfeld 1867.
[7] Übersetzung von: Franz Jäger und Jens Pickenhahn, Die Inschriften der Stadt Wittenberg. Die deutschen Inschriften, Band 107, Wiesbaden 2019, S. 365ff. Nr. 129(+)
Bild zur Meldung: Die Wittenberger Stadtkirche vom Wallgraben aus gesehen